Sinuskurven im Kopf und im Herz

Ich weiß manchmal nicht recht, wie ich mich fühlen soll. Auf der einen Seite steht da dieses Krankheit, die sich zur ZEit mehr und mehr zu einem Monster entwickeln scheint, dass es zu bekämpfen gilt. Die Chemo schlägt gut an, der gebrochene Lendenwirbel vom Helden (Knochenfrass ist eine Folge des Monsters) ist verheilt. Eigentlich stehen alle Lichter auf grün.

Die ambulanten chemos setzen ihm immer mehr zu, ich kann nichts machen als zuzusehen. Die Stammzellentransplantation naht, in zwei Wochen gehen die Vorbereitungen los. Verständlicherweise hat er Angst, vor einigen Tagen schien er einen Nervenzusammenbruch gehabt zuhaben und ist nun für kurze Zeit zu seinem Bruder gezogen, da es ihm alles zu viel geworden ist.

Jetzt und auch während der Krankenhauszeit versuchen seine Familie und auch seine Freunde ihn so gut wie möglich aufzufangen. Dennoch hat sich unser Leben grundlegend geändert. So kurz vor der Geburt unserers Sohnes reden wir über CHemos, anstatt über Babykurse, wie planen den Kaiserschnitt, damit das alles noch mit der Transplantation klappt und er bei der Geburt dabei sein kann. Es geht vieles darum wer ihm wann und wie am besten helfen kann. Es werden ihm viele Starke Schultern zum anlehnen geboten, das ist gut er braucht das auch. Die Gewissheit mit der Zukunft nicht allein zu sein, hilft im sicher und gibt Kraft.

Auf der anderen Seite stehe ich ich. Meine Schultern sind lahm geworden, ich glaube dass ich an meinem Limit angekommen bin. In der Klinikzeit bin ich ständig gependelt, teilweise war ich 12 stunden dort. danach habe ich einige verabredungen mit Freunden abgesagt, wenn es organisatorisch nicht mit dem Helden vereinbar war. Ich kümmere mich fast allein um die vierjährige Minidiva, geh einkaufen und helfe dem Helden. Inzwischen geht es ihm körperlich schon besser, dennoch bleibt viel bei mir.

Ich schlafe seit Wochen kaum mehr als drei-vier Stunden in der Nacht. Die Sorge um den Helden aber die Angst vor der Zeit nach der Entbindung, wenn der Held für lange Zeit im Krankenhaus sein wird, rauben mir die Nachtruhe. Alle Welt schaut, wie man ihn entlassten kann, scheinen dabei aber oft zu vergessen dass ich auch irgendwie mit darin verwickelt bin. Seit einigen Wochen habe ich vorzeitige WEhen und oft starke Schmerzen, schonen ist natürlich trotzdem nicht möglich.

Versuche ich meine BEdürfnisse dem Helden gegenüber zu äußern, versteht er dies oft als Angriff, wird schnippig oder sagt dass er dann das Gefühl hat nicht sagen zu dürfen wenn es ihm schlecht geht.

Meine Wünsche und Vorstellungen schraube ich gerade nahezu komplett zurück. Ich kümmere mich fast allein um sämtliche Babygeschichten, was noch fehlt, wo es herkommt usw. Ich ziehe mich nahezu komplett von meinem Freundeskreis zurück. entweder geht es dem Helden gerad nicht so gut und ich könnte nicht ruhigen Gewissens einfach gehen oder ich schlicht gesagt einfach keine Kraft und Lust auf Treffen. Seine Familie und Freunde scheinen zum Teil hohe Ansprüche an mich zuhaben. Von den Anfangs angebotenen Unterstützungsangeboten ist nicht mehr viel übrig geblieben.

Ich verstehe dass er momentan andere Dinge im Kopf hat, sich jetzt auch mal eine Auszeit genommen hat.

Ich habe oft ein schlechtes Gewissen wenn ich daran denke dass ich mich zur Zeit selbst vergessen zu scheine. Noch größer ist das schlechte Gewissen wenn ich darüber nachdenke dass auch ich mich gern mal zurücklehnen möchte, meine Bedürfnisse äußern kann und dem auch zum Teil entsprochen wird.

Auch fühlt es sich für mich befremdlich an, dass ich mich momentan kaum auf unser Baby freuen kann und will. Es geht einfach nicht. es gibt noch viel zu viel zu tun, wenn der Kleine da ist, bin ich erstmal  mit zwei kindern, der Held in der Klinik. Nach der Transplantation ist es unklar wie lange es dauern wird, bis er wieder fit ist. Dazu die Gewissheit dass ihm diese BEhandlung zwar langfristig helfen aber nicht heilen wird.

Das Verhalten des Helden verletzt mich oft. Die gewissheit, dass er dies nicht mit Absicht macht bzw. dass er teilweise nicht anders kann hilft mir da momentan nicht immer. Mir fällt es immer schwerer damit umzugehen.

Ich liebe den Helden, aber ich kann langsam nicht mehr, es tut mir leid.